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Fehler in der verkehrsrechtlichen Sicherungsanordnung: Verantwortung und Haftung

Die verkehrsrechtliche Sicherungsanordnung nach § 45 Abs. 6 StVO wird von den zuständigen Behörden erlassen und gibt die Absicherung von Arbeitsstellen an Straßen vor. Damit sollen Sicherheit und bestmögliche Flüssigkeit des Verkehrs auch bei Ausführung von Arbeiten im Straßenraum gewährleistet werden. Nähere Informationen zu der Bedeutung und den Zuständigkeiten bei der Erstellung einer verkehrsrechtlichen Sicherungsanordnung erhalten sie in unserem Blogbeitrag: „Die verkehrsrechtliche Anordnung zur Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen: Bedeutung und Zuständigkeiten“.

Was ist zu tun, wenn die verkehrsrechtliche Anordnung Fehler enthält?

Die grundsätzliche Aufgabenverteilung zwischen den beteiligten Akteuren (anordnende Behörde bzw. Bauherr, Bau- oder Absicherungsunternehmer) entbindet diese nicht von der (gegenseitigen) Pflicht, bei erkennbaren Fehlern der verkehrsrechtlichen Anordnung bzw. ihrer fehlerhaften Umsetzung durch den Unternehmer tätig zu werden und auf die Fehlerbeseitigung hinzuwirken:

  • Für die anordnende Behörde folgt dies aus der allgemeinen Verpflichtung, die korrekte Umsetzung ihrer Anordnungen sicherzustellen bzw. gemäß RSA Teil A 1.6 mit Hilfe eines gestuften Überprüfungs- bzw. Überwachungssystems die Zweckmäßigkeit ihrer Anordnung zu kontrollieren. Dazu gehört auch ein Auge auf die planmäßige Umsetzung der Anordnung durch den Unternehmer zu werfen.
  • Für den für die Verkehrssicherung verantwortlichen Unternehmer (Bauherr, Bauunternehmer, Verkehrsabsicherer) folgt dies aus seiner allgemeinen Verkehrssicherungspflicht. Auch wenn er sich die konkreten verkehrsrechtlichen Maßnahmen, da sie hoheitlicher Natur sind, von einer Behörde anordnen lassen muss, gebietet ihm seine eigene Verkehrssicherungsverantwortung als Veranlasser oder Betreiber der Gefahrenstelle, die angeordneten Maßnahmen auf Fehler hin abzuprüfen.

Die bedenkenlose Umsetzung einer als unzulänglich erkannten oder zu erkennenden Anordnung führt im Falle eines Schadensereignisses zur (Mit)Haftung des Antragstellers/Unternehmers. Dasselbe gilt für den Fall der Weitergabe der Anordnung an einen Verkehrsabsicherer als Subunternehmer. Auch dieser Subunternehmer ist zu einer Prüfung der Anordnung verpflichtet. Ihn trifft wegen seiner speziellen Fachkunde sogar eine besondere Prüfungsverantwortung.

Welche Fehlerkategorien können dabei konkret vorkommen:

  1. offensichtliche- (versehentliche-) Fehler (z.B.: der Endtermin für die verkehrsrechtlichen Maßnahmen liegt vor dem Anfangstermin – baubedingte Sperrung einer Straße vom 21.08. – 08.08. anstatt 08.09.), 
  2. Zweckmäßigkeitserwägungen (Unternehmer hätte sich lieber eine rechtwinklige anstelle der angeordneten spitzwinkligen Querabsperrung gewünscht) oder
  3. sicherheitsrelevante Mängel der Anordnung (bloße Fahrbahnbegrenzungsmarkierung neben einer Abgrabung).

Im ersteren Falle ist i.d.R. ein entsprechender Hinweis an die Behörde ausreichend, im zweiten Fall kann man (form- und fristlos) mit der Behörde Kontakt aufnehmen und die Bedenken vortragen (Remonstration, Gegenvorstellung); hier kann die Behörde abhelfen, verpflichtet dazu ist sie nicht. Insbesondere besteht für den Antragsteller nicht einmal ein Bescheidungsanspruch. Im dritten Fall einer Anordnung mit sicherheitsrelevanten Mängeln wird von allen an den Arbeiten beteiligten Akteuren (Bauherr, Unternehmer, ggf. Subunternehmer, Straßenbaulastträger) entsprechend ihrer Sach- und Fachkunde erwartet bzw. verlangt, dass sie Mängel erkennen und die in ihrem Verantwortungs- bzw. Zuständigkeitsbereich möglichen und notwendigen Abhilfemaßnahmen ergreifen bzw. veranlassen. 

Der Bauherr als Veranlasser der Gefahrenstelle und der Bauunternehmer als Betreiber der Gefahrenstelle sind unabhängig voneinander verkehrssicherungspflichtig, ebenso ein eigens für die Verkehrssicherung hinzugezogener Verkehrsabsicherer. Das bedeutet, dass der Antragsteller der verkehrsrechtlichen Sicherungsanordnung (Bauherr, Bauunternehmer oder Verkehrsabsicherer) die Anordnung vor ihrer Umsetzung auf Mängel zu prüfen hat. Stellt er dabei schwerwiegende Mängel fest, muss er seine Bedenken geltend machen und auf eine entsprechende Änderung hinwirken. Eine eigenmächtige Anpassung ohne Beteiligung der anordnenden Behörde ist nicht zulässig.

Die Verkehrssicherungsverantwortung endet nicht mit ihrer vertraglichen Übertragung auf einen Dritten. Vielmehr verbleibt eine Überwachungs- und Kontrollpflicht beim Übertragenden, in deren Rahmen (unter Berücksichtigung der eigenen Fachkunde) relevante Mängel der Verkehrssicherung erkannt und die notwendigen Abhilfemaßnahmen veranlasst werden müssen. Auch die Berufung auf die ggf. größere Fachkunde des Bauunternehmers bzw. des Verkehrsabsicherers führt nicht zu einem vollständigen Wegfall der eigenen Verkehrssicherungsverantwortung.

Wer haftet bei einer fehlerhaften verkehrsrechtlichen Anordnung?

Haftungsrechtlich (und sogar strafrechtlich) besonders problematisch ist aber die Umsetzung einer Anordnung trotz bestehender Bedenken: Wer in Kenntnis schwerwiegend unzulänglicher Sicherungsmaßnahmen die Arbeitsstelle (= Gefahrenstelle) betreibt, macht sich im Schadensfall nicht nur haftungsrechtlich (mit)verantwortlich. Sollte es dabei zu einem Personenschaden kommen, muss er sich ggf. auch strafrechtlich wegen einer Körperverletzung oder eines Tötungsdelikts verantworten, weil er in Kenntnis möglicher oder sogar wahrscheinlicher gravierender Folgen die Arbeiten ohne die gebotenen Sicherungsmaßnahmen ausgeführt hat.

Abzuraten ist insbesondere, einen Bedenkenvermerk in die Bauakte aufzunehmen und dann die Arbeiten durchzuführen, weil damit die bewusste Inkaufnahme eines Schadensfalles (sog. bedingter Vorsatz) beweiskräftig dokumentiert ist. 

Werden risikobehaftete Mängel in der verkehrsrechtlichen Anordnung entdeckt, die trotz entsprechender Hinweise an die Behörde nicht beseitigt werden, bleiben dem Unternehmer nur 2 Optionen:

  • Er legt einen förmlichen Widerspruch gegen die Anordnung ein, wodurch dann eine Überprüfung der behördlichen Maßnahme durch eine höhere Behörde ermöglicht wird. Das kann allerdings mit erheblichem Zeitverlust verbunden sein und im Zweifel auch zu einem Streit mit dem Auftraggeber/Bauherrn führen. 
  • Er lehnt die Ausführung der Anordnung ab, womit jedoch auch die Ausführung der Arbeiten verhindert wird. Das wird sicher ebenso wie ein förmlicher Widerspruch den Unwillen oder das Unverständnis des Bauherrn/ Auftraggebers hervorrufen, ist aber unter haftungs- und strafrechtlichen Gesichtspunkten die richtige Entscheidung.

Stellen sich risikobehaftete Mängel der verkehrsrechtlichen Anordnung erst im Laufe der Arbeiten heraus, gelten für die Beteiligten im Grundsatz dieselben Verhaltenspflichten wie oben beschrieben. Hier besteht aber die Besonderheit, dass sich die Gefahrensituation bereits konkretisiert hat und mit den Mitteln der Remonstration, des förmlichen Widerspruchs oder der Einstellung der Arbeiten nicht mehr abgewendet werden kann.

Hier sind unverzüglich in Absprache mit der Anordnungsbehörde, bei ihrer Nichterreichbarkeit mit der Polizei und in einer extremen, akuten Gefährdungssituation in der Verantwortung des für die Verkehrssicherung verantwortlichen Unternehmens (zunächst ohne behördliche Anordnung) die notwendigen/ergänzenden Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen.

In diesem Fall ist unverzüglich (= ohne schuldhaftes Zögern) die zuständige Stelle zu informieren, die damit wieder die Verantwortung für die Absicherung übernimmt.

Wer sich ausführlicher mit den Haftungsfragen in diesem Kontext beschäftigen möchte, dem bietet die MORAVIA Akademie das Seminar Verantwortung und Haftung bei der Sicherung von Straßenbaustellen an.

Weitere Ausführungen zu den Aufgaben und Pflichten des Verantwortlichen für die Verkehrssicherung finden Sie in dem Blogartikel „Der Verantwortliche für die Verkehrssicherung: Aufgaben und Pflichten“.

Die Inhalte entstammen einer internen Referentenschulung von Herrn Rainer Hummel bei der MORAVIA Akademie. Wir danken Herrn Hummel für die Erstellung des Beitrags.

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